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Linie 11 – Wasserhäuschen in Frankfurt

Nein Tanke! Bier lieber am Büdchen holen

Die Trinkhallenkultur in Deutschland ist bedroht. Dabei stellen die Büdchen, Häuschen und Kioske einen wichtigen öffentlichen Ort im sozialen, urbanen Raum dar. Der Verein Linie 11 setzt sich für den Erhalt dieser Orte in Frankfurt ein.

Nach der Schule eine gemischte Tüte für nen Euro kaufen, Sonntagmorgens zu den frischen Brötchen die Zeitung holen oder nach der Arbeit draußen in der Sonne mit Freunden ein Bier trinken. Zum Wasserhäuschen kann jeder gehen. Es ist ein offener Ort im öffentlichen Raum. Anders als bei Supermärkten oder Tankstellen, gibt es hier keinen Gatekeeper. Jeder ist willkommen. Jeder kann sich eine Kleinigkeit kaufen und sich bei gutem Wetter draußen ein Plätzchen zum Stehen oder Sitzen suchen und ganz ungezwungen mit anderen ins Gespräch kommen.
„Wir sind alle Kinder der Stadt. Für uns waren Wasserhäuschen schon in der Kindheit der Ort an dem man nach der Schule hingegangen ist, um sich Süßigkeiten, an heißen Tagen ein Eis zu holen. Wir verbinden einfach so viel damit, dass wir es extrem schade fänden, wenn es irgendwann dahin kommt, dass es diese klassischen Wasserhäuschen nicht mehr gibt“ sagt Freddy Löbig, Mitbegründer des Vereins Linie 11, der sich für den Erhalt dieser Kultur einsetzt. Denn Frankfurts Wasserhäuschen sind bedroht. Von einst 800 gibt es in Frankfurt nur noch um die 300. Verlängerte Öffnungszeiten von Supermärkten und Tankstellen stellen eine große Konkurrenz für die Wasserhäuschen dar. Auch die Anonymität der großen Anbieter ist für viele verlockend. Doch genau das Familiäre ist es, was die Jungs von Linie 11 so an den Wasserhäuschen schätzen.
„Es ist total interessant, weil man dort die tollsten Geschichten hört. Der eine hat erzählt, dass er nicht mehr so recht wusste wohin mit sich. Für ihn war das Wasserhäuschen sein fester Ruhepol am Tag. Er hat dort auch keinen Alkohol getrunken. Er war halt wirklich nur da und hat sich mit den Leuten unterhalten. Und dort hat er dann auch seine Frau kennengelernt“ erzählt Freddy.
Wasserhäuschen haben durchaus nicht den besten Ruf. Oft sieht man dort schon mittags die Ersten mit einem Bier in der Hand. Obwohl die Häuschen ursprünglich entstanden sind, um den Alkoholismus einzudämmen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellte Leitungswasser ein gesundheitliches Risiko dar. Arbeiter tranken also hauptsächlich Bier und Schnaps. Wurde der Konsum von Fabrikbesitzern anfangs sogar durch sogenannte „Schnapsspenden“ unterstützt, so entwickelten sich die alkoholisierten Arbeiter schnell zum Problem. Als es dann erstmals gelang Mineralwasser in Flaschen abzufüllen, verbreiteten sich die Wasserhäuschen, die das sogenannte „Bitzelwasser“ verkauften, schnell. Die Stadt förderte die Einrichtung der Häuschen. Im Laufe der Zeit erweiterte sich das Angebot der Wasserhäuschen zu einem Sortiment an Dingen, die man nach Ladenschluss oder am Wochenende noch brauchen könnte. Getränke jeglicher Art, Tabakwaren, Zeitungen und Zeitschriften, Süßigkeiten, Eiswaren und sogar Lebensmittel für den täglichen Bedarf bekommt man dort.
Die kleinen runden Ein-Zimmer-Häuschen gehören zu Frankfurt wie Goethe und Grüne Soße. Sie beleben den öffentlichen Raum und sind ein Ort der ungezwungenen Begegnung, an dem man sich auf einen kurzen „Schnack“ trifft. Und für viele ist es sogar mehr als das. „Für viele sind die Wasserhäuschen so etwas wie ein sozialer Treffpunkt. Besonders für Leute, die vielleicht sonst keine anderen Treffpunkte haben. Es wäre schade, wenn die nichts mehr haben, wo sie hingehen können, um sich mit anderen auszutauschen“ so Frieder Krause.
So will Linie 11 für das Thema sensibilisieren und den Leuten die Angst vor den Häuschen nehmen und ein generationenübergreifendes Vertrauen schaffen. Um die Besonderheit der Wasserhäuschen zu zeigen, haben sie eine Karte ins Netz gestellt, auf der alle Wasserhäuschen Frankfurts und ihre Eigenschaften eingetragen sind. Das funktioniert wie ein Stadtführer und soll zum Besuch animieren. Und für Leute, die selbst Interesse bekommen haben ein solches Büdchen zu betreiben, bietet Linie 11 die Büdchen-Börse an. Dort wird zwischen Betreibern der Häuschen vermittelt.
„Es feiert sich wesentlich angenehmer mit dem Gedanken, für ein kleines Gewerbe und für seine Stadtkultur etwas positives geleistet zu haben, indem man sich sein Schöbbsche eben dort, und nicht an der Tanke zwei Ecken weiter geholt hat“ so Freddy.

Mehr Informationen findet ihr auf der Homepage des Vereins Linie 11.

Bild: „Trinkhalle Friedberger Landstrasse“, © Picturepest cc